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Bauherr / Auftraggeber: Frau Ko mm erzienrätin Emilie Habel

Grundstück: Koenigsallee 30 / 32 und Schwedlerstraße 5 / 7 Berlin - Grunewald

Bauzeit: Juli 1903 bis September 1904

Bauausführung: Baugeschäft Hermann Raebel GmbH AG für Bauausführungen in Berlin

Baukosten: unbekannt

Planungs- und Baugeschichte:

Frau Emilie Habel muss schon zu Beginn des Jahres 1903 an Sehring mit dem Wunsch herangetreten sein, ihr eine herrschaftliche Villa in der Kolonie Grunewald zu entwerfen. Am 22.05.1903 konnte sie 11 Zeichnungen und die statischen Berechnungen Sehrings bei der Baupolizei zur Prüfung einreichen. Der Bauschein Nr. 62 wurde am 22. Juni 1903 ausgehändigt, so dass sofort mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Die Zeichnungen und statischen Berechnungen Sehrings für die Errichtung eines Pferdestalls mit Remise und die Kutscherwohnung auf dem Gartengrundstück der Villa, sind am 7.8.1903 nachgereicht worden. Diese Pläne hatte die Baupolizei aber erst im Oktober desselben Jahres geprüft und bestätigt. A, 21.3.1904 erfolgte dann die Rohbauabnahme des Pferdestalls und der Kutscherwohnung. Die Bitte um die Gebrauchsabnahme der Villa wurde am 30. September 1904 gestellt. Bei der Gebrauchsabnahme am 14.10.1904 hatte man eine große Zahl von Mängeln feststellen müssen, so dass die ausführende Firma Auflagen zu dessen Beseitigung bekam. Die endgültige Gebrauchsabnahme erfolgte daher erst am 15. Juli 1905.

 

Äußeres:

Das eher an ein Palais als an eine Villa oder gar ein Landhaus erinnernde, zweigeschossige Gebäude von 38,87 m Länge und 13,41 m Tiefe steht mit seiner westlichen Hauptfront an der leicht geschwungenen Koenigsallee. In seiner aristokratischen Gesamtwirkung kommt die Vornehmheit und Imponiergeste der damals zu Macht und Wohlstand gelangten deutschen Bourgeoisie zum Ausdruck, der sich Frau Kommerzienräten Emilie Habel zugehörig fühlte. Der einst bedeutende, mit gewundener Wegführung konzipierte Garten, des ursprünglich 4887 qm großen Grundstückes, reichte bis an die rückwärtig gelegene Schwedlerstraße (Abb. 121-128).

Die kleinteilig dekorierte Stuckfassade, die von einer mit Putti besetzten Attika bekrönt wird, kulminiert in der flach geschwungenen Kupferhaube, auf dessen Spitze ein kupfergetriebener, von Putti umringter großer Blumenkorb steht. Diese Gestaltungsmotiv des Blumenkorbes ist auch auf der Baldachin – Kuppel der Bühne im Bielefelder Stadttheater zu sehen (Abb. 116) In ähnlicher Form ließ Sehring später zwei Blumenkörbe aus Sandstein an der Südfront des Cottbuser Stadttheaters auf den hohen Sockelpostamenten aufstellen. Die formale Anleihen an den Barock an der ockerfarbenen Putzfassade kommen auch bei dem an der Westfront leicht vorspringendem Walzenrisalit zum Ausdruck. Ursprünglich warn an den Feldern über dem hohen Rundbogenfenstern des Walzenrisalits sowie der Seitenrisalite an der West- und Ostfront Schwäne angebracht, die ihren Kopf auf die Brust gelegt haben und von denen nach den Seiten Girlanden zu den Ecken des äußeren Fensterrahmens schwingen. Sehring verwendete diese Schwäne als Dekoration schon an den Fassaden des Theaters des Westens und des Bielefelder Stadttheaters und ließ sie auch später an der Südfront der Görlitzer Stadthalle anbringen.

Eine wohl singuläre Bedeutung für die Villenkolonie Grunewald kommt der an die Straße herangerückten Freitreppen – Terrassenanlage an der Westfront zu. Anstelle der Löwen mit der mächtigen Mähne, hatte Sehring auf seinen Entwurfszeichnungen noch seine ägyptisierenden Löwen vorgesehen. Nach den ausgeführten Löwen wurde das Gebäude später „Löwenpalais Grunewald“ genannt. Möglicherweise fühlte sich Frau Kommerzienrätin Habel bei diesen Löwen an das Wappentier von Venedig erinnert – der Stadt der reichen Kaufleute. Die drei Schlangehenkelvasen auf der Balustrade der Terrasse wecken Assoziationen an den Jugendstil und finden möglicherweise ihr Vorbild bei den Schlangenhenkelvasen vor der Gartenfront der Bildergalerie von Schloss Sanssouci in Potsdam. Im südlichen Teil des Gartens einst eine Gebäudegruppe, die den Pferdestall, die Kutscherwohnung und die Remise unter steilen Spitzdächern in einer ländlichen Bauweise vereinte. Die Gebäudegruppe, errichtet in einer Kombination von Stein- und Holzbauweise, erreichte eine Gesamtbreite von 16 m und eine Gesamttiefe von ca. 13,1 m.

Innengestaltung:

Die Raumdisposition der einzelnen Geschosse hat ursprünglich den Anforderungen einer herrschaftlichen Villa entsprochen. Im Kellergeschoss befand sich im nördlichen Flügel die Portierswohnung und das Billardzimmer, im mittleren Bereich der Wein- und Kartoffelkeller sowie das Gesindezimmer und der Waschraum, im südlichen Flügel der Heizraum mit Kohlenkeller und ein Aufbewahrungsraum für Pflanzen.

Das Erdgeschoss und das Obergeschoss sind von der Gartenseite des Nordflügels über ein Treppenhaus erschließbar. Im Erdgeschoss befand sich ursprünglich im Zentrum die Diele und die Küche im Anschluss an das Treppenhaus. Entlang der Straßenfront orientierten sich die Repräsentationsräume. Im Nordflügel lag eine quadratische Halle und das Boudoir (Damenzimmer), das sich wie der Wintergarten des Südflügels bis zur Höhe der Decke des Obergeschosses erstreckt. An das Boudoir im Nordflügel schlossen sich das Arbeitszimmer und der Tresorraum an der Ostseite sowie das Wohnzimmer an der Westseite an. Das Raucherzimmer und das Speisezimmer lagen jeweils an der Ost- und Westseite des Südflügels. Im Zentrum unter der ovalen Kuppel von 12,5 m Durchmesser befand sie ein großer, repräsentativer Saal, dessen oberer Abschluss sich bis zum Kuppelgeschoss erstreckte. Von diesem Saal führte in der Mitte des Walzenrisalits eine Tür auf die Treppenterrasse an der Straßenfront. Das Obergeschoss beherbergte die Schlafzimmer im Nordflügel und die Logierzimmer im Südflügel. An der Gartenfront ist vom Obergeschoss aus eine Terrasse betretbar, unter der sich im Erdgeschoss der Garderobenraum befand.

Bauschicksal / Veränderungen:

Im Jahre 1906 hatte sich Frau Habel ein Automobil zugelegt, den Kutscher entlassen und sich Pläne anfertigen lassen, um die Kutscherwohnung in eine Garage umzubauen. Diese Pläne wurden am 19.10.1906 geprüft und kamen im Anschluss zur Ausführung. Seit dem Jahre 1909 war die neue Eigentümerin der Villa Frau Prächtel, geborene Habel, die sich von der Berliner Maschinenfabrik Carl Flohr einen Aufzug neben die Küche des Erdgeschosses einbauen ließ. Ein Umbau des Stallgebäudes auf dem Gartengrundstück für Wohnzwecke erfolgte im Jahre 1912 durch das Berliner Baugeschäft Wittling & Güldner, das sein Büro in dem von Sehring 1891 / 92 erbauten Wohnhaus Uhlandstraße 61 in Charlottenburg hatte.

1933 wurde auf Gesuch der neuen Eigentümerin der Villa, Frau Generalkonsul Helene Zerrener, an der Südseite des Gebäudes ein 5,73 m breites Gewächshaus als Wintergarten errichtet. Ein Antrag zur Umgestaltung der Villa in ein 12 – Familienhaus wurde am 10. Januar 1935 gestellt. Die Bauausführungen sollte die Siller & Seiler GmbH übernehmen. Am 15.4.1935 kaufte Frau Generaldirektor Martha Zwitusch die Villa für 78 500 M. und zog am 28.2.1936 den Umbauantrag ihrer Vorgängerin wieder zurück. Dafür ließ die neue Besitzerin noch im selben Jahr einige Wohnungsteilungen vornehmen. Die Umbaumaßnahmen im Inneren führte man nach den Plänen der Architekten Bruno Bauch und K.A. Hermann durch. Außerdem ließ die neue Eigentümerin den südlichen Wintergarten – Anbau zugunsten einer durchfensterten Wand beseitigen, das Palmenhaus an der Gartenfront abreißen und an der westlichen Hauptfront kam es zur Veränderung der Fensterformen des Mittelrisalits und der Seitenrisalite, denen wie an der Ostfront 3,8 m breite Balkone angebaut wurden.

Im Jahre 1949 ließ die neue Eigentümerin, Frau M. Damcke, an der Gartenfront in der Mitte des Erdgeschosses eine Balkonterrasse anbauen. Als es 1969 erneut zum Eigentümerwechsel kam, wurde das Grundstück der Villa geteilt, so dass es seit dieser Zeit nur noch 2419 qm umfasst. Zu Umbaumaßnahmen der Kuppel und des Dachgeschosses in der Galerieebene zu Wohnzwecken kam es im Jahre 1982 durch den Architekten Klaus – Dieter Ehlbeck. Dabei wurden in die Kuppel Oberlichter eingebaut. Eine umfassende Renovierung der Villa hatte man 1994 durchgeführt. Seit dieser Zeit wird das „Löwenpalais Grunewald“ von der „Stiftung Starke, Gemeinnützige Kunststiftung“ genutzt. Im Haus wohnen jetzt einige Mieter und außerdem sind dort mehrere Ateliers und ein Ausstellungsraum eingerichtet. Der bronzene Adler, der jetzt auf der Treppenterrasse steht, ist eine Arbeit des Bildhauers Dieter Finke.